ES IST EINE TÄGLICHE HERAUSFORDERUNG

Während der Corona-Krise ist die Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln stark angestiegen – Das gilt auch für Fleischprodukte. Auslöser für den Trend waren nicht zuletzt die Ereignisse rund um den Tönnies-Schlachthof in Rheda-Wiedenbrück. Inwieweit profitieren auch feinheimische Betriebe und wo liegen heute besondere Herausforderungen für das Handwerk?

In ihrer Fleischerei auf dem Hof Steffen in Muxall bei Kiel verarbeiten Bernd und Dörte Steffen zu 70 Prozent Rinder und Schweine aus eigener Haltung, dazu kommen Tiere von Höfen aus der Region. „Auch wir haben gemerkt, dass die Konsumenten in der Corona-Krise verstärkt regionale Produkte nachfragen“, sagt Bernd Steffen. Um gut 20 Prozent sei der Frischfleischverkauf an der Theke gestiegen. Dennoch habe es das Handwerk nicht leicht. „Durch die Industrialisierung und die Supermärkte haben wir eine riesige Konkurrenz bekommen. Ein großes Problem ist, dass die Fleischproduktion sehr anonym geworden ist. Dadurch sind wir mehr denn je gefordert, Aufklärung zu betreiben“, so der Schlachtermeister, der zu diesem Zweck Schulklassen auf seinem Hof empfängt. Dem Konkurrenzdruck durch die Industrie begegnet er mit Qualität und Nachhaltigkeit. Das beginnt schon bei der Schlachtung. „Die Rahmenbedingungen bei der Schlachtung wirken sich unmittelbar auf die Fleischqualität aus. Wenn das Tier großem Stress ausgesetzt ist, gelangt durch chemische Prozesse nicht mehr so viel Zucker in das Fleisch. Der ist allerdings eine wichtige Grundlage für Milchsäurebakterien, die das Fleisch letztlich zart machen und ihm sein Aroma verleihen“, erklärt der Experte. „Wir gehen deshalb sehr ruhig mit den Tieren um und schlachten immer nur ein Rind oder Schwein zur Zeit.“ Aus den Tieren entstehen schließlich hochwertige Produkte, die ohne künstliche Zusatzstoffe auskommen. Um am Markt zu bestehen, hätten sich viele Fleischer auf Lohnschlachtungen spezialisiert. „Wir sind einer der wenigen Wettbewerber, die ihren Schwerpunkt auf dem Ladengeschäft haben.“ Auch am Verkaufstresen seien Transparenz und Aufklärung heute wichtige Aspekte. „Gute Verkäufer, die den Kunden die Geschichte hinter dem Fleisch erzählen können, machen locker die Hälfte des Unternehmenserfolges aus“, sagt Steffen. Diese zu finden und zu halten, sei allerdings nicht einfach.

MANGELWARE AZUBIS
Dass dies vor allem für den fachlichen Nachwuchs gilt, weiß auch Barbara Burmeister von der Landschlachterei Burmeister in Viöl. Gemeinsam mit ihrem Mann Jens-Uwe und Juniorpartner Karl Olschewski leitet sie den Betrieb in vierter Generation. Auch die Burmeisters schlachten noch selbst – ausschließlich Tiere von Landwirten im näheren Umkreis. „Aus der Region, für die Region“, lautet das Motto. Derzeit ist Frithjof Schladenhaufen der einzige Auszubildende. „Für mich ist es eine Kunst, aus einem Tier, das auf der Weide grast, eine große Vielfalt an Endprodukten herzustellen – ob Zuschnitte für den Grill, die Rouladen für den Schmortopf oder die Wurst fürs Brot“, sagt er. Eine Begeisterung, die nicht viele Gleichaltrige teilen. „Gerade in meiner Generation haben Fleisch und das Fleischerhandwerk ein schlechtes Image. Tiere zu töten und zu zerlegen, halten viele für ‚schmutzige‘ oder ‚unmoralische‘ Arbeit“, erzählt der Azubi. „Generell haben es Handwerksbetriebe heute sehr schwer, gute Lehrlinge zu finden. Viele Eltern wollen, dass ihre Kinder Abitur machen und studieren. Dass der Mittelstand in Deutschland die meisten Arbeitsplätze stellt und sich gerade jetzt in der Krise zeigt, dass das Handwerk nach wie vor funktioniert, sehen viele nicht“, ergänzt Barbara Burmeister. Generell sieht auch sie in der Industrialisierung, dem daraus resultierenden Preisdruck und der zunehmenden Entfernung gerade der jüngeren Generation von Fleischerhandwerk und Landwirtschaft die großen Probleme der Branche. „Noch haben wir hier auf dem Dorf eine sehr gute Kundenbindung. In den nachfolgenden Generationen dürfte es allerdings sehr schwer werden, wenn die jungen Leute nicht mehr vorgelebt bekommen, dass man Fleisch beim Fleischer kauft und nicht mariniert und abgepackt im Supermarkt. Auch das Einkaufsverhalten an sich habe sich geändert. Wo früher noch ganze Achtel oder Viertel vom Rind für die Weiterverarbeitung zu Hause gefragt waren, setzen Verbraucher heute viel auf Halbfertigprodukte. „In der heutigen Zeit am Markt zu bestehen, ist eine tägliche Herausforderung“, so Barbara Burmeister.

KURZE WEGE UND QUALITÄT
Dieser Herausforderung stellen sich auch Sina Einfeld-Tensfeldt und ihr Bruder Matthias Einfeld. Sie führen die Fleischerei W. Einfeld & Sohn in Negenharrie in fünfter Generation. Ein Teil der Tiere, die im Unternehmen geschlachtet und verarbeitet werden, stammt aus der eigenen Mutterkuhhaltung, der Rest von Landwirten aus der näheren Umgebung. Auch sie ärgert sich darüber, dass das Bild des Schlachters und Fleischers durch die Industrialisierung zunehmend in ein negatives Licht gerückt ist. „Früher war Schlachter beziehungsweise Fleischer ein ehrbarer Beruf, heute wird durch Massentierhaltung und Industrialisierung Fleisch geradezu verramscht. Das Problem ist, dass in den Medien und damit auch in der öffentlichen Wahrnehmung alle über einen Kamm geschoren werden. Es ist schwer, den Leuten differenziert die Unterschiede zwischen Industrie und echtem Fleischerhandwerk aufzuzeigen.“ Außenwirkung sei deshalb wichtiger denn je. „Gefühlt muss man heute schon eine Ausbildung in der Werbebranche gemacht haben, um all das leisten zu können.“, sagt Sina Einfeld-Tensfeldt. Bei der verkauften Ware gilt: Möglichst viel selbst und in höchster Qualität produzieren. „Durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen darf bei Weitem nicht jeder Betrieb selbst schlachten. Wir sind sehr froh, dass wir die räumlichen Möglichkeiten haben, den EU-Richtlinien gerecht zu werden und wirklich alles aus einer Hand selbst machen zu können. Bei uns passiert alles unter einem Dach und in modernen Betriebsräumen. Das Tier kommt zu uns, wird geschlachtet, geht dann ein paar Meter weiter in die Kühlung und wird bei uns auch zerlegt, veredelt und verkauft. Die wenigsten industriellen Betriebe können all das an einem Standort anbieten. Da ist es schon vorprogrammiert, dass die Schweine zum Schlachten durch halb Deutschland und dann zur Weiterverarbeitung noch einmal viele Kilometer weitergefahren werden. Bei uns sind es von der Schlachtung bis zum Verkaufstresen gerade einmal hundert Meter“, erzählt Einfeld-Tensfeldt.

VERSPRECHEN FÜR MEHR TIERWOHL
Den respekt- und verantwortungsvollen Umgang mit Tieren hat sich auch der Rinderbetrieb Bunde Wischen eG in Schleswig auf die Fahnen geschrieben. Seit 2010 gehört dessen Vorsitzender Gerd Kämmer zu den wenigen Berechtigten in Schleswig-Holstein, die den Kugelschuss auf der Weide anwenden dürfen. „Wir versprechen, dass kein Tier unseren Betrieb lebend verlässt“, sagt er. Was zunächst wie eine Drohung klingt, ist für die Rinder gut. Denn durch die direkte Tötung auf der Weide bleibt ihnen der Stress durch Transport und Schlachthaus erspart. Grundvoraussetzung für die Erlaubnis ist eine ganzjährige Freilandhaltung. Außerdem musste Kämmer einen zusätzlichen Lehrgang absolvieren. Auch Arne Bläsing, Geschäftsführer von FEINHEIMISCH-Fördermitglied Elbwild in Leisterförde, hat die Genehmigung. „Ein riesiger Vorteil ist, dass das Tier nicht ahnt, was passiert“, sagt er. Wie Gerd Kämmer setzt auch er auf lokale Wertschöpfungsketten. Nach dem Abschuss und dem Ausbluten kommen die Tiere in einen nahegelegenen Zerlegebetrieb. Eben auch hier: aus der Region, für die Region.